Meine Erkenntnis des heutigen Tages: Aktiver Täter werden (im Sinne von etwas tun) ist allemal besser als Opfer zu sein. Opfer der Umstände, der fehlenden Zeit, der mangelnden Wertschätzung Anderer.
Mitstreiter suchen, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam etwas bewegen ist effektiver als Jammern.
23. Januar 2019
Ich habe mit der Zweitklässlerin jetzt einen Deal: So lange die App sagt, daß der Sonnenaufgang nach acht Uhr, d.h. nach Schulbeginn ist, begleiten Charly und ich sie bis zur Ampel. Sie hat keine Angst im Dunkeln, aber halt niemanden zum Reden. Und das ist “voll langweilig ey“.
Manchmal wünsche ich mir einen Zebrastreifen für das Leben. So hätten vielleicht alle Menschen mehr Chancen. Wenn alle in der Gesellschaft mal Blickkontakt aufnehmen würden und die Starken für die Schwachen (unabhängig von der Definition wer schwach und wer stark ist) bremsen und man aufeinander achtet.
Sehr philosophisch. Wie ich darauf komme? Wahrscheinlich ist das sehr subjektiv, aber meinem Gefühl nach ist Chancengleichheit eine Utopie: Die starken werden stärker, die Schwachen schwächer.
Das falsch zugeordnete Zitat des Tages kommt von niemand geringerem als Homer Simpson himself. Ich sehe das eher genau umgekehrt. Der Versuch ist doch der erste Schritt zum Erfolg. Bleib ich stehen, bin ich schon gescheitert. Aber jeder wie er mag.
Nach Grundsatzgesprächen im Büro und Streichung einiger Punkte auf der gefühlt lebenslangen ToDo-Liste eile ich nach Hause und streichle noch kurz mein Lieblingsbackbuch und bereite den Teig für eine neue Portion Karlsbader Boller vor. Hatte ich erwähnt, daß ich Hefeteig liebe? Wenn er die richtige Konsistenz hat, muß er sich so anfühlen wie ein Babypopo.
Momentan wird mein Teig immer sehr sehr gelb. ich weiß nicht genau woran das liegt. In diesem Teig ist Ei drin, aber auch ohne wird er gerade immer sehr gelb. Ich werde das weiter beobachten und testen. Vielleicht liegt es am mehl?
Während das Gebäck im Ofen ist, kommt Besuch und Charly sieht seine Chance gekommen auf der Bank zu sitzen. Und gleich wieder so traurig zu gucken: “Herrchen, wenn du das hier liest: Hab erbarmen mit mir armen Hundeseele!”
Endlich sind die Karlsbader Boller fertig und ich habe sogar ein Handmodell für das Foto. Das Originalrezept habe ich noch mit einer ordentlichen Portion Kardamom aufgewertet und die Menge der Füllung verdoppelt.
Als das Foto entstanden ist, gab es zwei Bleche voll mit Gebäck. Als ich danach in die Küche zurückkam war ein Blech leer. Jetzt weiß ich auch, was das große Kind mit “Ich nehm` ein paar für die anderen mit O.K.?” gemeint hatte.
Zwischen Mathehausaufgaben (wie oft können sich fünf Geraden maximal schneiden?) und ernsten Gesprächen (weshalb sollten Geschwister außerhalb von zu Hause zusammenhalten?) kommt die Jüngste mit einem Portrait von mir. Da steckt viel Liebe drin und Selbstbewußtsein.
Unser Gespräch heute morgen drehe sich auch darum, was sie machen würde, wenn ein Fremder sie anspräche.
“Ich geh auf jeden Fall mit niemandem mit und dann schrei ich ganz laut, das kann ich gut oder? Und wer er mir erzählt, daß er Süßigkeiten oder süße Tiere zu Hause hat, sprech ich gar nicht mit dem. Oder soll ich sagen der spinnt und ich habe selber ein süßes Tier? Nee, ich renn lieber weg und hole mir Hilfe.“
Das beruhigt mich ein wenig.