Das Tagebuch der Anne Frank habe ich mit zwölf oder dreizehn Jahren verschlungen, wie viele andere Erzählungen aus der Nazizeit des vergangenen Jahrhunderts. Mir grauste es vor dem, was ich da las. Ich bin jemand, der während des Lesens quasi in die Hülle der Protagonisten schlüpft und mitleidet. Aber schon damals suchte ich nach dem Warum.
Ich fand es damals nicht und kann es heute noch nicht erklären. Aber ich kann meine Kinder aufklären und ihnen zeigen, was damals passiert ist. Was Holocaust bedeutet.
Zum Beispiel mit Hilfe der Graphic Novel von Ari Folman.
Die historische Anne Frank
Den Namen Anne Frank kennt hoffentlich jeder. Er steht für das dunkelste Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte. Die historische Anne Frank wurde 1929 in Frankfurt am Main geboren und mußte sich als Jüdin mit ihrer Familie vor den Nationalsozialisten verstecken.
1944 wurde die Familie entdeckt und ins Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht. Dort stirbt Anne Frank im März 1945 – kurz vor Kriegsende – an Typhus. Ihr Vater überlebt und veröffentlicht ihr Tagebuch nach dem Krieg. So hatte sie es sich gewünscht.
Anne Frank wird in unseren Köpfen für immer dreizehn bleiben. In den Briefen an ihr Tagebuch schreibt sie so lebendig und klug über ihre Gedanken, Gefühle und Erlebnisse, daß man als Leserin das inständige Gefühl bekommt ihre so ersehnte Freundin zu sein.
Anne Frank – Graphic Novel von Ari Folman und David Polonsky
Das Originaltagebuch umfaßt rund 300 Seiten, aus dem Ari Folman für seine Graphic Novel eine Auswahl aus dem Originaltext treffen mußte.
Das vorliegende Buch läßt viel vom Ursprungstext stehen und übernimmt dessen lockere Erzählweise.
Zitat wichtiger Stellen aus dem Original
Annes für ihr Alter reifen Gedanken zitiert Folman teilweise vollständig, um einen Eindruck von ihren Gedankengängen zu vermitteln. Sie werden im Verlauf immer tiefer und schwermütiger. Sie hinterfragt beispielsweise das kindische Verhalten der Erwachsenen „Ich finde es sehr komisch, dass erwachsene Menschen so schnell, so viel und über alle möglichen Kleinigkeiten Streit anfangen; bis jetzt dachte ich immer, dass Zanken eine Kindergewohnheit wäre, die sich später geben würde.“
Das macht ihr das Leben im Hinterhaus zusätzlich schwer.
Leuchtende Farbe
Ich weiß nicht, wie es Dir geht, wenn ich Geschichten aus der Zeit des Nationalsozialismus lese, sind sie in meinem Kopf nur in Graustufen. So war es auch mit Anne Franks Tagebuch.
Deshalb war ich etwas irritiert, daß David Polonsky die Bilder in der Graphik Novel so leuchtend koloriert hat. Doch es spiegelt etwas von der kindlichen Phantasie wider und macht das Thema vielleicht auch für Kinder bzw. Teenager zugänglicher.
Die Szenen selbst sind äußerst einfalls- und detailreich dargestellt und der Grafiker spielt mit dem Layout, um den einzelnen Szenen das richtige Gewicht zu geben.
Mein Fazit
Ein tolles Buch, um es immer griffbereit zu haben. Szenen noch einmal nachzulesen und neue Details in den Zeichnungen zu entdecken.
Und vor allem, bestens geiignet um Kinder an das Thema heranzuführen und ihnen behutsam aber deutlich zu vermitteln, was damals passiert ist und sich nie wiederholen darf.
Infos zum Buch
Das Tagebuch der Anne Frank
Autor*innen: Anne Frank, David Polonsky, Ari Folman
Graphic Diary. Umgesetzt von Ari Folman und David Polonsky
Übersetzt von: Mirjam Pressler, Klaus Timmermann, Ulrike Wasel
Verlag: S. FISCHER
160 Seiten
ISBN: 978-3-10-397253-5
Übrigens: „Anne Frank’s Diary: The Graphic Adaptation« von Ari Folman und David Polonsky erhielt 2019 den Preis des NS-Dokumentationszentrums München.
Info: Im Mai erscheint eine weiter Graphic Novel des Autors: Kittys Tagebuch: Wo ist Anne Frank?, ich bin gespannt!