Machen wir als Eltern alles falsch? Oder kommt das in den Medien nur so rüber? Generell verkaufen sich schlechte Nachrichten ja besser als gute.
Da mich das Thema noch eine Weile beschäftigen wird, verfolge ich seit geraumer Zeit die öffentlichen Diskussionen rund um Erziehung und Elternschaft.
Demnach machen heutige Eltern fast nichts richtig und vieles falsch.
Overparenting versus Vernachlässigung?
Entweder sie überbehüten ihre Kinder oder sie setzen sie seelischer Grausamkeit aus weil sie zu viele Freiheiten bekommen. Zeigen Mütter und Väter aber Unsicherheit und holen sich Rat bei Experten, werden sie als verunsicherte Elterngeneration gebrandmarkt, die Schuld daran ist, dass die Kinder zunehmend aggressiv und depressiv werden.
Bei Mittelschichtfamilien sei zum Beispiel das sogenannte Overparenting besonders stark ausgeprägt.
Es beginnt damit, dass schon Kleinkinder von einer Frühfördergruppe zur nächsten geschleppt werden, Schulkinder trotz eines gut zu Fuß zu bewältigendem Schulwegs mit dem Auto bis an die Eingangstür gekarrt werden und sie nur einen winzigen Bewegungsradius haben in dem sie sich alleine und unbeaufsichtigt bewegen können.
Sind diese Kinder dann zu Erwachsenen herangereift, bleiben sie aber Boomerang Kids, die immer wieder ins Hotel Mama zurückkehren, da sie alleine kaum lebensfähig sind.
Den Kindern werde jegliche Unannehmlichkeit erspart, der Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch spricht bereits 1998 in der ZEIT von der Droge Verwöhnen. Das Kind hat einen Wunsch und bekommt ihn unmittelbar von seinen Eltern erfüllt. Eltern tun dies nicht etwa aus Liebe und Fürsorge, sondern einzig und allein aus Bequemlichkeit, und um das Kind von sich abhängig zu machen.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Josef Kraus klagt in seinem Spiegel-Bestseller Helikopter-Elterndarüber, dass Eltern ihre Kinder mit einer Mischung aus verkrampfter Frühförderung und übermäßiger Schonung vor den Herausforderungen des Alltags zu lebensuntauglichen Individuen heranziehen.
Jesper Juul, bekannt für seine liberale Pädagogik nennt diese Eltern Curling Eltern, die den Kindern sogar unangenehme Gefühle wie Trauer und Wut aus dem Weg räumen. Dies führe zu abgestumpften, emotionslosen Erwachsenen, die keinerlei Empathie für andere empfinden können.
Das erscheint alles sehr besorgniserregend.
Zu den Artikeln über dieses Thema gibt es bei den Online-Seiten der großen deutschen Zeitungen unzählige Kommentare, die die Thesen verfechten oder auch Gegenargumente anführen. Zum Der Bildungsjournalist Füller zum Beispiel ist der Meinung, man müsse auf Kinder heute viel mehr und besser aufpassen, weil sie im Gegensatz zu früher viel mehr Gefahren ausgesetzt seien.
Aber man bedenke bitte auch – und das wird bei all diesen Diskussionen häufig vergessen – dass eine überwiegende Mehrheit der Kinder völlig normal von ihren Eltern behandelt werden. Aber die werden leicht vergessen. Mit normal kann man keine Schlagzeilen machen.
Ein anderes Beispiel was mir gerade einfällt, ist die Welle, die die Petition einer jungen Mutter in der digitalen Welt schlägt. Sie möchte, dass der Verlag Gräfe und Unzer den Ratgeber Jedes Kind kann schlafen lernen von Annette Kast-Zahn und Hartmut Morgenroth vom Markt nimmt. (Man bedenke, unabhängig von der Art des Buches, wie es wirkt, wenn in Deutschland ein Buch verboten würde.) Die Petition ist laut eigenen Angaben bereits über 4000 Mal unterzeichnet worden. In dem im August 2013 neu aufgelegten Ratgeber wird empfohlen, Babys alleine einschlafen und wenn nötig auch für eine begrenzte Zeit schreien zu lassen. Die aufgebrachten Gegner des Buches sprechen sofort von seelischer Grausamkeit gegen ein wehrloses Wesen, deren Spätfolgen nicht anzusehen sind.
Die Gegenbewegung dazu ist das Co-Sleeping, wobei das Baby nicht alleine schlafen muß und mit ins Elternbett darf.
Für beide Formen des kindlichen Schlafverhaltens lassen sich Experten finden, die das Eine oder Andere befürworten.
Und woran halte ich mich?
Was ist mit Bauchgefühl?
Liebe Eltern. Wir alle haben doch so etwas wie ein Bauchgefühl mitbekommen oder? Wir wissen doch in unserem tiefsten Inneren, wie man seine Kinder normal behandelt. Sprich so, daß sie zumindest keinen Schaden davontragen. Man sollte sich nicht verrückt machen lassen von der Flut an Erziehungsratgebern und guten Ratschlägen von vermeintlich Besserwissenden, sondern vielmehr auf seine Fähigkeiten als Eltern vertrauen. Nicht alles ist falsch. Und viele Wege führen zum Ziel.
Ich würde mir nur wünschen, daß diese Wege auch nebeneinander existieren dürfen ohne bewertet zu werden.
Bitte sagt mir dazu Eure Meinung!
Gruß
Suse
Ich stimme dir in vielen Dingen zu – vor allem in der Bitte, dasz niemand zu streng mit sich und/oder anderen sein sollen. Selbstzerfleischung hilft nie weiter.
Womit ich jedoch hadere ist das _wir_. Wer gehört dazu? Und was ist ein Bauchgefühl (sowas wie der “gesunde Menschenverstand”? Und warum haben das _alle_?
Ich glaube, dasz es so etwas wie “Intuition” gibt. Doch auch die ist irgendwie geprägt. Durch die eigene Erziehung/Sozialisation, durch Erfahrungen, Ängste,… und nicht _einfach so_ da und schon gar nicht immer klug und richtig für jede Person.
Liebe(r) Anonymus,
vielen Dank für Deinen kritischen Kommentar. Ich habe zwar ein Problem damit, wenn sich hier jemand nicht traut seinen Namen zu nennen (komischerweise nur bei kritischen Kommentaren), aber Du hast sicher Deine Gründe dafür. Vielleicht bist Du erst kürzlich in der Onlinewelt der öffentlichen Meinungen oder ich kenne Dich aus dem Leben 1.0 und Du traust Dich nicht das zuzugeben.
Egal.
“Wir” sind für mich zunächst Eltern. Und in diese Rolle werden wir einfach so hineingeschubst. Ohne Vorbereitung, oft zwar mit vielen gutgemeinten Ratschlägen, aber doch ins kalte Wasser geschubst.
Ich muß Dir vehemend widersprechen wenn Du sagst, daß nicht alle Eltern ein Bauchgefühl- nenn es gerne auch Intuition- hat. Gäbe es dieses innere Grundwissen nicht, wäre die Menschheit längst ausgestorben. Jeder, der Kinder bekommt weiß um die Grundbedürfnisse, die so ein kleines Wesen hat und weiß zumindest theoretisch auch, wie man diese befriedigt.
Daß nicht jeder gleich gut auf seine Kinder eingehen und einwirken kann liegt auf der Hand. Gerade wegen unterschiedlicher Erfahrungen und Prägungen.
Aber Du wirst sicherlich nicht widersprechen, wenn ich sage, daß kaum ein (gesunder) Mensch seinem Kind absichtlich schadet (gesunder Menschenverstand)?
Was wäre denn für Dich eine Antwort auf die Frage “Was soll ich als Eltern tun wenn ich nicht auf mein Bauchgefühl hören soll?
Das hast Du super geschrieben!! Und ich teile Deine Meinung!! Ich handhabe das so wie Du und höre auf mein Bauchgefühl. Auch wenn ich vielleicht damit meine Fehler mache, ich kann und will nicht anders! :) Das ganze Thema ist meiner Meinung nach auch typisch deutsch. Die Norweger sind dahingegen viel entspannter, das merkt man auch im Kindergarten. Da wird auch vieles aus dem Bauch heraus entschieden und nicht nach einer bestimmten pädagogischen Theorie!
Klem
Alice
liebe suse,
als sehr-serh junge mama habe ich mit solchen ratgebern und überklügen ratschlägen allwissender mütter mich zu lange rumgeschlagen. irgendwann kam der punkt, wo ich wusste, meine liebe und mein bauchgefühl und die tatsache, dass ich meine kinder und unsere situation am besten kenne können die richtige entscheidung treffen. ich war noch nie so entspannt und ich habe wunderbare kinder, die wissen, egal was kommt, die arme und türen sind offen. lg, éva
KInder lernen am besten von Vorbildern. Und je entspannter man selbst ist (leider ist das nicht immer möglich), desto entspannter sind die Kinder.
Liebe Suse,
da, wo gesunder Menschenverstand und Bauchgefühl noch vorkommen bzw. Beachtung finden, da stellen sich viele Fragen nicht. Wir Eltern und auch unsere Kinder sind Individuen, häufig lassen sich Situationen nicht einheitlich bewerten.
Ich lebe da treu nach dem Motto “Stumpf ist Trumpf” und lausche nicht mehr den neuesten Erkenntnissen. Sondern weiter meiner Intuition und meinem Hirn.
Sei lieb gegrüßt von Nina
Liebe Nina!
Das Motto “Stumpf ist Trumpf” ist cool! Das schreib ich mir auf die Fahnen!
Liebe Grüße
Ich finde, du hast es gut auf den Punkt gebracht. Nur weil man sich Mama und Papa nennen darf, heißt es nicht, dass man alles perfekt machen muss. Fehler sind menschlich und gehören zum Leben dazu. Und ja: Das Bauchgefühl ist meist der beste Erziehungsratgeber.
Liebe Grüße
Lotta
Niemand macht ALLES falsch!
Ich denke, dass ganz allgemein, nicht nur in Erziehungsfragen, jeder Mensch oder jedes Paar, Punkte hat die einem wichtig sind und ein paar Blinde Flecken.
Die “Erzeihungsfehler” die wir bei unseren Nachbarskindern, Freunden usw. sehen sind wohl die Bereiche die uns wichtig sind. Auf die wir Augenmerk legen. Unsere eigenen Blinden Flecken erkennen vielleicht die ANchbarn wieder gut.
Sich aufs eigene Bauchgefühl verlassen ist sicher der allerwichtigste Punkt.
Ebenso wichtig halte ich es sich nciht für allwissend einzuschätzen. Offen zu bleiben für Änderungen. Vielleicht weil andere, Ratgeber,… einen anstuppsen oder weil man selbst spürt, dass sich etwas ändern muss. Einfach flexibel und offen zu bleiben, das können wir von unseren Kindern lernen. Ich meine aber natürlich nicht, dass man wie ein Fähnchen im Wind permanent die Meinung ändern soll.
Aber genau das ist es doch. Offen bleiben im Leben für andere Sichtweisen. Und auch mal selbstkritisch sein. Keine Frage.
Aber nicht ständig nach Fehlern bei sich und anderen fahnden.
LG