Lange hat es gedauert, heute habe ich ein neues Interview für Euch in der Reihe Berufsfindung für Kinder. Meine Kinder stellen Erwachsenen Fragen zu ihrem Beruf und bekommen tolle Antworten darauf. Das letzte Mal ging es um den Beruf der Hebamme und Jana Friedrich stand Rede und Antwort.
Diesmal geht es um einen ganz anderen Beruf: Die Neunjährige findet jetzt in der vierten Klasse langsam Gefallen daran Texte zu schreiben und zu redigieren. Noch sind es eher Erzählungen und Fantasiegeschichten, aber wer weiß, wohin sich das entwickelt.
Heute fragt sie bei Séverine Bonini nach, was genau sie in ihrem Beruf als Fachjournalistin macht.
Séverine arbeitet seit Jahren als medizinische Fachjournalistin. Sie ist seit Juli 2014 selbständig als Verlegerin medizinischer Fachzeitschriften und als freie Journalistin und Bloggerin (Mama on the Rocks) in den Bereichen Familie und Gesundheit tätig.
Kann jeder Journalist werden oder braucht man vorher eine besondere Ausbildung?
Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Als Journalist tätig sein – sprich für Zeitungen, Magazine, Portale scheiben – kann heute de facto jeder – auch ein Blogger. Ist ein Blogger aber auch ein Journalist? Da scheiden und streiten sich die Geister. Ich stelle mir das so vor: Nur weil man gut kochen kann, wird man noch lange nicht Koch in einem 3*Restaurant – dafür braucht es Handwerk, und das lernt man in einer Journalistenschule. Ich selber habe Germanistik und Geschichte studiert – und nicht Journalismus. Allerdings bin ich eine Fachjournalistin, das heisst ich schreibe nicht für eine Tageszeitung o.ä., sondern für Fachzeitschriften. Hier kommt es mehr auf das inhaltliche Know-how an denn auf journalistisches Wissen.
Muß ich viel gelesen haben, bevor ich Journalistin werden kann? Damit ich alles weiß, worüber ich schreibe?
Um Journalistin sein zu können, solltest Du absolut sattelfest in Deiner Sprache sein. Mir hat da sehr geholfen, dass ich von Anfang an, also schon mit sieben Jahren, ganz ganz viel gelesen habe. Der beste Grammatiklehrer ist ein Buch. Und noch eins. Und noch eins. Ausserdem solltest Du viel schreiben. Du musst aber nicht über alles Bescheid wissen, bevor Du darüber schreibst. Als Journalist musst Du viel recherchieren können. Du musst wissen, wo Du Wissenslücken schliessen kannst. Was Du auch mitbringen musst: Du musst neugierig sein und darfst keine Angst davor haben, Fragen zu stellen.
Kennst Du Karla Kolumna? Fährst Du auch wie eine Verrückte auf einem Roller durch die Stadt?
Klar kenne ich Karla Kolumna. Allerdings zuallererst durch Benjamin Blümchen, den ich als Kind immer auf Kassette gehört habe. Bibi Blocksberg kenne ich erst jetzt durch meine Tochter. Ist das nicht cool, dass Karla Kolumna bei beiden vorkommt?! Ihr Name ist übrigens eine Alliteration. Das verwende ich selber sehr gerne als Stilmittel.
Wann hast Du Dich für den Beruf entschieden, was fasziniert Dich daran?
Ich wollte nicht Journalistin werden. Eigentlich wollte ich Schriftstellerin sein. Aber das ist ein brotloser Erwerb, wenn man nicht Joanne K. Rowling heisst. Ich studierte Germanistik, weil ich zumindest als Lektorin in einem Belletristik-Verlag arbeiten wollte. Aber die Einstiegsmöglichkeiten sind sehr gering.
Als ich nach dem Studium eine Stelle als Fachredaktorin in einem medizinischen Fachverlag bekam, habe ich zugegriffen. Dort habe ich gelernt, Kongressberichte zu schreiben, Interviews zu führen und Zeitschriften zu kreieren. Heute bin ich nicht einfach Journalistin.
Ich bin Verlegerin und Chefredaktorin in meinem eigenen Verlag. Ich führe zwar noch Interviews mit Professoren, beauftrage jedoch unsere Redaktoren oder freie Journalisten, an Kongresse zu gehen und für unsere Magazine darüber zu berichten. Daneben bin ich freiberuflich als Journalistin in den Bereichen Familie und Gesundheit tätig, aber nur noch marginal. Meine Hauptarbeit ist heute das Führen meines Verlags. Ich habe Mitarbeiter und realisiere neue Verlagsprodukte, treffe mich mit Kunden, Lieferanten, Journalisten, Meinungsbildnern… das ist alles extrem spannend für mich!
Was ist das Schönste an Deinem Beruf?
Kurz vor dem Druck der Zeitschrift, wenn ich den sogenannten Strukturplan, also die Dramaturgie der einzelnen Ausgabe zusammenstelle – das liebe ich. Welcher Text kommt an welche Stelle, wo kommt welches Inserat hin? Es ist wie ein riesengrosses Sudoku, ein Puzzle, das ich zusammenstelle.
Worüber schreibst Du am liebsten?
Medizinisch über Alzheimer. In meinen Kolumnen, die ich schon in Tageszeitungen hatte, über Beziehungskomik. Das schöne ist ja aber eigentlich, dass ich überhaupt von Berufes wegen schreiben kann. Und das in verschiedenen Gebieten. Man kann sich ausprobieren, mit Sprache spielen! Sprache vermag zu provozieren, zu berühren. Das finde ich toll. Ich mag es, die Menschen gedanklich in meinen Kopf zu versetzen.
Wenn Du Dir einen Interviewpartner wünschen dürftest, wer wäre das? Und was würdest Du die Person fragen?
Ich hätte sehr gerne Ingeborg Bachmann interviewt. Ich liebe ihre Texte. Ich hätte sie gefragt, warum sie sich die Beziehung mit Max Frisch angetan hat und warum sie sich nicht für die Diffamierung in seinem Werk Stiller gerächt hat. Aber sie ist viel zu früh gestorben.
Wie lange brauchst Du, um eine Seite, die veröffentlicht werden soll fertig zu stellen?
Das ist ganz unterschiedlich. Texte mit viel Recherche brauchen natürlich länger, vielleicht sogar Tage. Kolumnen und Glossen gehen in einem Wisch, also mit ca. einer Stunde Aufwand.
Hast Du schon mal für eine gute Story etwas geschrieben, was so gar nicht passiert ist?
Bei fachlichen Texten nein – never ever! Das ist für Journalisten ein absolutes NO GO. Meinen Blog aber sehe ich als literarisches Werk, da wird im Sinne des Storytellings auch mal eine Story zurechtgebogen, damit die Pointe sitzt.
Woher bekommst Du Deine Informationen?
Durch Recherche. Google weiss vieles! Ausserdem frage ich bei den offiziellen Stellen nach. In meinem Fall also bei Professoren, Kliniken, Gesellschaften. Auch ein Beziehungsnetz an Informanten ist wichtig. Fakten müssen immer geprüft werden. Bei den Nachrichten ist heute das Problem, dass wir als Konsumenten, als Leser, immer sofort mit dabei sind. Dank Twitter und co. wissen wir immer sofort, wenn etwas auf der Welt passiert ist. Die Medien müssen möglichst schnell infomieren, um kompetitiv zu sein. Da können leider Fehler passieren. Früher hatten die Journalisten mehr Zeit, zu einem Thema zu recherchieren. Heute muss das alles ganz schnell gehen. Dass es da zu sog. Zeitungsenten, Neudeutsch Fake News, kommen kann, liegt auf der Hand. Deshalb: Immer nur glauben, was von mehreren Medien belegt wird. Seriöse Medien hauen nicht direkt irgendwelche News raus, sondern recherchieren zuerst.
Für wen schreibst Du, wer liest Deine Texte?
Beruflich werden meine Texte von Ärzten gelesen. Ich scheibe für Ärzte.
Schreibst Du lieber für das Internet oder eine Zeitung aus Papier?
Das Internet ist vergänglich, auch wenn man sagt, dass das Internet nichts vergisst. Was heute im Netz steht, hat man morgen schon wieder vergessen. Ein Artikel im Print ist aber für die Ewigkeit. Erscheint ein Artikel von mir in einem Magazin, z.B. der Brigitte MOM, bin ich sehr stolz und tagelang aufgekratzt.
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