Greenpeace veröffentlichte vergangene Woche eine repräsentative Umfrage zu Kaufverhalten, Tragedauer und der Entsorgung von Mode und kommt zu erschreckenden Ergebnissen:
Kleidung ist Wegwerfware geworden. Ähnlich wie Plastiktüten, die man eben mal schnell mitnimmt und auch sehr schnell wieder entsorgt. Gekauft wird, was dem neusten Trend entspricht und günstig ist. Oft verstauben die Kleidungsstücke, aber im Schrank und werden nie angezogen (40%). Aussortiert wird, was nicht mehr paßt oder gefällt. Gebraucht gekauft oder getauscht wird nur sehr wenig. Repariert schon gar nicht.

Bild: pixelio/unsplash

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Ihren Preis hat billige Kleidung am Ende der Welt: “In den überwiegend asiatischen Produktionsländern ist die rasant wachsende Textilindustrie zum zweitgrößten Wasserverbraucher und Wasserverschmutzer geworden. Rund 7000 Liter Wasser verbraucht die Produktion einer einzigen Jeans. 3500 krebserregende, hormonell wirksame oder anderweitig giftige Chemikalien setzt die Textilindustrie ein...” (Quelle: Greenpeace)

Viele der Befragten wissen das, finden Siegel für Nachhaltigkeit und faire Produktion sinnvoll – kaufen aber nicht danach. Das Kaufkriterium No.1 ist der günstige Preis.

Es geht anders!

Wer heute noch behauptet, es wäre schwierig, an faire, ökologische Mode zu kommen, der hat sich einfach nicht richtig informiert. Hier zum Beispiel gibt es einen Shopping Guide, in dem Greenpeace Onlinestores auflistet, die Kleidung nach diesen Grundsätzen verkaufen. Und fair, öko und cool geht auch!

Und mit einem bißchen Recherche kommt man auch so schnell zu tollen Unternehmen, die sich Gedanken gemacht haben. Die ihre ganze Energie nicht nur in das Produkt stecken, sondern auch in die Menschen, die zur Herstellung nötig sind.

Manomama zeigt wie

Manomama ist solch ein Unternehmen, mit Sitz im bayerischen Augsburg, einer Stadt mit langer Textiltradition.
Die Gründungsidee war, das Pferd von hinten aufzuzäumen: Die Idee war und ist der Mensch. „Mensch, lass uns doch etwas machen, wo wir Menschen, die sonst jede Firma ablehnt, eine Chance geben, ihren eigenen Erwerb zu erwirtschaften und damit wieder Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen“ (Quelle: Manomama). So kam es dazu, daß in der Schneiderei zunächst Taschen gefertigt wurden, und mit den stetig wachsenden Nähfähigkeiten der Mitarbeiter wuchs auch das Sortiment von Manomama. Aktuell wird die Kinderkollektion ausgebaut.

Das Außergewöhnliche an der Firma: Die Textilien werden nicht nur bio und fair produziert, sondern auch regional und sozial. Das Leder für die Gürtel stammt dabei zum Beispiel aus dem Erlanger Schlachthof und ist ein Abfallprodukt der Schnitzelproduktion. Sozial heißt im Fall von Manomama: Hier finden Menschen Arbeit, die auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance haben: zu alt, zu unqualifiziert oder zu unflexibel, wie z.B. Alleinerziehende. Wer sich bei Manomama bewirbt, kann angeben, wie viele Stunden er wann arbeiten möchte und das funktioniert. Bestens.

Aber wer hatte die Idee, den Mut und den Willen ein solches Unternehmen auf die Beine zu stellen? Wer ist das?

Sina Trinkwalder

In den letzten Jahren konnte man immer wieder über Sina Trinkwalder, die Gründerin von Manomama, lesen. Oder sie im Fernsehen in Aktion sehen.

Ich hatte über die sozialen Medien den Eindruck gewonnen, Sina Trinkwalder ist in erster Linie eines: eine starke Frau, die weiß was sie will und wie sie es bekommt.
Und ich bekam ein Interview mit ihr!

Die halbe Nacht verbrachte ich vorher damit, Artikel zu lesen, Interviews anzuhören und Youtube Videos anzusehen, um einen Eindruck zu gewinnen, wer Sina Trinkwalder eigentlich ist. So las ich von

“Ich bin der Reißnagel im Arsch der SPD” (ntv)

“Die Textilunternehmerin Sina Trinkwalder boykottiert die Berliner Fashion Week” (Badische Zeitung)

„Wunder muss man selber machen” (Ihr erstes Buch)

“Der Schrecken des Arbeitgeberverbandes” (Droemer-Knaur) und war sehr gespannt.

SinaTrinkwalder

Sina Trinkwalder  (Foto: Michael Schrenk)

Ich erreiche sie im Auto, auf der Landstraße:

Und das Erste, das ich von ihr höre, ist ein herzhaftes Lachen auf die Frage nach Zukunfts- und Versagensängsten. Ich stelle mir schlaflose Nächte beim Gedanken an die roten Unternehmenszahlen zu Beginn  von Manomama vor. Aber das entspricht nicht dem Naturell von Sina Trinkwalder: “Nein. Geht nicht. Ich hatte Respekt vor dem, was auf mich zukommt. Aber keine Angst. Angst lähmt nur.” Mich interessiert brennend, wie sie mit Problemen in der Firma umgeht. Zum Beispiel mit den in Indien produzierten Taschen der Drogeriemarktkette DM, die eine Bloggerin vor einem Jahr entdeckte. Aber egal, welche Probleme auftauchen, sie dachte noch nie daran, das Handtuch zu werfen. “Wie soll das gehen? Dann stehen 150 Mitarbeiter auf der Straße. Ich bin für sie verantwortlich!”

Weg von Quantität hin zur Qualität

Bemerkenswert sei es, daß viel Geld investiert wird, um potentielle Käufer zu sensibilisieren, aber nur jeder 8. beim Einkaufen die Nachhaltigkeit als zur Grundlage seiner Kaufentscheidung macht. Die Frage sei außerdem, wohin der Konsumwahn noch gehen solle. Brauche ich 5 Jeans pro Jahr? Dann müssen sie billig sein, damit ich sie mir leisten kann. Wenn ich meine Kleidung gut pflege, genügt auch eine hochwertige Hose. Wir müssen umdenken, verlangt Sina Trinkwalder. “Es gibt kaum noch Steigerung der Quantität, wir müssen in Qualität investieren!” Ein Problem sei auch die rasch wechselnde Mode, die es nötig macht, immer mehr Kleidung zu kaufen. Bei Manomama werden nur Stücke hergestellt, die langlebig sind und viele Modeepochen überdauern.

Und wie steht es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

“Kind und Karriere sind nicht vereinbar, das ist eine Lüge”, sagt die Unternehmerin, die selbst ein Kind hat und viele viele Stunden mit ihrer Arbeit verbringt. Ihr Sohn ist damit groß geworden und daran gewöhnt, dass Mama viel arbeiten muss. Das heißt aber nicht, dass sie keine Zeit hat, sich um ihn zu kümmern.

Ihren Mitarbeitern ermöglicht sie, sich die Arbeit so einzuteilen, daß die Arbeitszeiten zu den jeweiligen Lebensumständen paßt. Beim Vorstellungsgespräch dürfen die Näherinnen angeben, wie viel und wann sie arbeiten können.

Die jüngste Auszeichnung

Zum Schluß sprachen wir noch über das Bundesverdienstkreuz, daß Sina Trinkwalder im November verliehen bekam. Diese Auszeichnung erhielt die Manomama Gründerin für ihr Engagement für benachteiligte Menschen. Ihre Reaktion bei Erhalt des Schreibens von Andrea Nahles:

Kurz überlegte sie, den Preis nicht anzunehmen, da die Politik sie bisher bei ihren Bemühungen keine Sekunde und mit keinem Cent unterstützt hat. Aber sie sieht den Preis als Auszeichnung der Bundesrepublik und das sei O.K. Trotzdem heftet sie sich den Orden nicht an die Brust: “Der liegt nicht unter dem Kopfkissen. Irgendwo im Koffer. Oder im Kleiderschrank”.

Und wie das Gespräch begann, so endet es auch: mit einem herzhaften Lachen. Denn das helfe gegen die harte Realität, so Trinkwalder.