Was haben diese Bücher gemeinsam: Jedes Kind kann schlafen lernen, Die Verwöhnfalle, Die Mutter des Erfolgs oder Warum unsere Kinder Tyrannen werden?.
Sie sind wohl einige der schlimmsten Bücher, die geschrieben wurden, um das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zu manipulieren. Schlimm, weil in den Ratgebern postuliert wird, daß Eltern ihre Kinder in irgendeiner Form in ein Schema pressen müssen, damit sie funktionieren. Erziehungsratgeber aus der Hölle!
Hier stimmt der Satz „Ratschläge sind auch nur Schläge“.

Mein Bücherregal ist voll mit Elternratgebern. Jesper Juul, Jan Uwe Rogge, Rudolf Dreikurs, deren gemeinsame Idee eine kooperative, partnerschaftliche Erziehung ist. Man hat ja im Laufe eines Elternlebens immer mal wieder Momente, in denen das erzieherische Brett vor dem Kopf riesig ist und man nicht mehr weiß, wie man mit dem Kind umgehen soll. Totale Überforderung, bei der Achtsamkeitsratgeber zum bewußten Atmen auffordern.Für mich ist das der Moment, in dem ich dann in meinem Bücherregal nach Lösungen suche.
Sehr gerne blättere ich dann durch den Blog und die Bücher von Uta Allgaier. Und jetzt gibt es ein neues: Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben.

Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben

Als ich das Vorwort von Uta Allgaiers neuestem Buch las, hatte sie mich schon. Denn sie ging mit Erziehungskrisen genauso um, wie ich: Erziehungsratgeber lesen, bei denen Folgendes passiert: „Aufschlagen, lesen, spüren, wie der Blutdruck sich normalisiert und ich wieder in meine Mama-Kraft komme.“

„Aufschlagen, lesen, spüren, wie der Blutdruck sich normalisiert und ich wieder in meine Mama-Kraft komme.“

Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben, S.7


Bei mir muß der Autor nicht einmal mit mir und meinem Erziehungsstil zu hundert Prozent einer Meinung sein, hilft mir manches Buch doch einfach schon durch eine Einordnung des Geschehens.
Im vorliegenden Buch hat Allgaier all das vereint, was bei ihr als Mutter „sofort Resonanz in ihr fand“.

Anhand der unterschiedlichen Fragen, die sie stellt, führt sie den Lesenden von der Entstehung der Eltern-Kind-Bindung, über die Kommunikation zwischen Eltern und Kindern, der Unterstützung in der Schule bis hinein in die Pubertät mit ihren Herausforderungen und vernachlässigt auch das Thema Partnerschaft nicht.

Ich mag den liebevollen Blick, den die Autorin auf Menschen hat. Und ihre Art sanft aber nachdrücklich Denkfehler aufzuzeigen und Lösungswege anzubieten. Ich möchte hier gar nicht das ganze Buch nacherzählen, lies selbst, das bringt viel mehr. Doch auf das eine oder andere Kapitel (die, die mich und meine Familie aktuell selbst betreffen) gehe ich gerne ein.

Wie bringe ich Kinder dazu, im Haushalt zu helfen?

Die Haushaltsfrage beschäftigt mich seit dem Tag, als das jüngste Kind diesen kindlichen Mithilfetrieb einfach so verlor.
Allgaier empfiehlt, die Kinder von klein auf im Haushalt mitmachen und an den Aufgaben des Alltags teilhaben zu lassen. Kinder wollen ihren Teil dazu beitragen, lernen dabei wie etwas funktioniert, und fühlen sich als Teil der Gemeinschaft. Klingt sehr logisch und hat prima funktioniert, was zum Beispiel Kochen und Backen angeht. Alle drei Mädels können die Basics. Alles andere klappt mit Rezept ganz gut. Doch war es als Kleinkinder noch spannend, Wäsche in den Keller zu tragen, sie in die Trommel der Waschmaschine zu legen und Waschpulver in die Kammer zu füllen den Startknopf zu drücken und der Trommel beim Drehen zuzusehen, so ist das heute ungeliebte Arbeit. Und die wird nur nach mehrmaliger Aufforderung ausgeführt.
Meine Hoffnung liegt aber auf später. Dann wenn sie ausgezogen sind und sich um ihren eigenen Kram kümmern müssen, wissen sie, wie das funktioniert.
Statt zu meckern, freue ich mich doch lieber über das Fünfgängemenü, das das große Kind zu Weihnachten serviert hat.

Was fördert Geschwisterliebe- und was nicht?

Geschwisterstreit ein niemals enden wollendes Thema bei uns. Hier leben drei Mädels, die unterschiedlicher nicht sein können. Sowohl in ihren Fähigkeiten, als auch in ihren Bedürfnissen.
Uta Allgaier erwähnt Adele Faber und Elaine Mazlish, deren Buch Hilfe, meine Kinder streiten auch in meinem Regal steht und die empfehlen, sich mit einem gewissen Maß an Geschwisterstreit abzufinden. Weil das den Druck aus den Beziehungen der Kinder rausnimmt, die besten Freunde sein zu müssen. Seit ich das schweren Herzens verinnerlicht habe – schließlich hat man romantische Vorstellungen von Geschwisterliebe- erkläre ich den Kindern, daß sie nicht befreundet sein müssen, aber niemals den Respekt voreinander verlieren dürfen. Man darf sauer aufeinander sein, aber nicht verletzend. Ich als vierfache Schwester weiß, wie schwierig es sein kann, dies nicht zu tun. Denn als Geschwister kennst du besser als jeder andere die Schwachstellen von Bruder oder Schwester.

Gerechtigeit als Dauerstreitthema

Gerechtigkeit ist ein Riesenthema unter Geschwistern, “Verständlicherweise ist es der erste Impuls, für Gleichheit zu sorgen, wenn gemeckert wird. Viel hilfreicher ist aber zu individualisieren. ” schreibt Allgaier. Kinder vergleichen sich selbst gerne und wenn eines fünf Gramm Schokolade mehr als das andere, erzeugt das Unmut. Ich erkläre in solchen „Das ist aber ungerecht!“-Fällen, daß alle meine Kinder unterschiedlich sind, unterschiedliche Dinge zu unterschiedlichen Zeiten benötigen und deshalb unterschiedliches von mir bekommen.

“Verständlicherweise ist es der erste Impuls, für Gleichheit zu sorgen, wenn gemeckert wird. Viel hilfreicher ist aber zu individualisieren. “

Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben S.144

Aber im Großen und Ganzen ist die imaginäre Waagschale ausgeglichen. Das empfinden die Kinder in der jeweiligen Situation vielleicht nicht so, aber ich bin sicher, es wirkt langfristig.

Streitverstärker: Mangeldenken

Bei diesem Thema muß ich mich ganz kräftig an meine eigene Nase fassen. Es passiert mir selbst viel zu oft, dass ich da Gefühl habe, eines der Kinder sei in irgendeiner Form benachteiligt. Sei es die Geburtsposition, über die ich vor Jahren schon mal schrieb (so würde ich es jetzt wohl nicht mehr formulieren) oder meine berufliche Situation, die mir weniger Zeit für das einzelne Kind läßt oder eben die eine oder andere Entwicklungsphase, die für ein Kind besonders herausfordernd ist. Ich sehe dann, wie Allgaier es exakt beschreibt, einen Mangel bei mir, es ist ein toxisches Grundgefühl, mit dem ich dann herumlaufe, das mir suggeriert, als Mutter nicht gut genug zu sein.

„Eltern könne auch bei sich einen Mangel sehen. Sie laufen ständig mit dem toxischen Gefühl herum, nicht gut genug zu sein, als Mensch im Allgemeinen und als Mutter oder Vater für ihr Kind im Besonderen.“

Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben S. 147

Das hat zu Folge, daß ich mich noch mehr anstrenge den angeblichen Mangel beim Kind zu stopfen. Was aber passiert: Das Loch wird immer größer und das Kind fordert immer mehr. Und die Geschwister immer unzufriedener werden, wegen der riesengroßen Aufmerksamkeit für das eine Kind. Puh, aus diesem Teufelskreis rauszukommen ist wohl meine Aufgabe, die ich aus dem Buch mitnehme.

Ist die Pubertät wirklich so schlimm?

Diese Frage würde ich adhoc mit JEIN beantworten , denn es liegt wohl auch viel an mir und meiner Einstellung und wie es mir in der Situation selbst geht. Wenn mal wieder eine anstrengende Phase ist, gehe ich gerne bei Rike und ihrem Nieselprimblog flanieren, sie beschreibt das immer mit viel Humor und dann kann man trotzdem zumindest lachen.

Uta Allgaier hat in ihrem aktuellen Buch verschiedene Punkte zusammengefaßt, die gedanklich eine Hilfe sein können im Umgang mit den heranwachsenden Kindern:

Rücken kratzen

Die Heranwachsenden leiden wegen ihres manchmal kaktusartigen Verhaltens an einem Mangel an Körperkontakt. Einfach mal in den Arm nehmen oder den Rücken kraulen kann Wunder wirken.

Interessierte Fragen stellen

Abseits von verhörtechnischen Fragen empfehlen sich aufrichtig interessierte Fragen. Dazu gehört dann die Bereitschaft wertfrei zuzuhören und langes Schweigen auszuhalten.
Klappt erfahrungsgemäß gut in Kombination mit einer abendlichen Gassirunde. Die frühen Morgenstunden eignen sich nicht so gut.
Was ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen muß: Stelle ich eine Frage, die man auch mit Nein beantworten kann, dann muß ich das Nein auch akzeptieren können. „Fütterst du den Hund?“ „Nein“ „O.K“. Das gilt natürlich für alle Altersstufen. Akzeptiere ich das nicht, war es keine Frage, sondern ein Befehl. Die empfängt niemand so wirklich gerne.

Vertrauen

Vertrauen ist meiner persönlichen Meinung nach die wichtigste Handreichung, die Eltern und Kinder hilft, die Pubertät unfallfrei zu überstehen.
Es geht darum, die Kinder zu beschützen, statt sie zu kontrollieren. Wir investieren Vertrauen in sie und das immer wieder neu.
Wer meint, sich nur auf sein Kind verlassen zu können, wenn immer alles glattläuft, ist ein blutiger Anfänger in Sachen Vertrauen“ (S.194).
Und immer im Gespräch bleiben und neu vertrauen rät Allgaier.

Und ich stelle das Buch jetzt ins Regal, um es bei Bedarf immer mal wieder aufzuschlagen, zu lesen und zu spüren, wie der Blutdruck sich normalisiert und ich wieder in meine Mama-Kraft komme!

Infos zum Buch

Wie-Kinders-stark-werden-und-Eltern-entspannt-bleiben

Uta Allgaier

Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben

Illustrationen von Malanie Garanin
Ellert & Richter Verlag GmbH, Hamburg
ISBN: 978-3-8319-0777-9
224 Seiten mit 6 Abbildungen
Format: 12 x 20 cm; Klappenbroschur
Preis: 14.95 EUR